Es ist ein tolles und motivierendes Gefühl, wenn ein professionelles Treffen nicht nur nützlich ist, sondern auch Spaß macht!
Bei einem weiteren persönlichen Treffen im Rahmen unseres internationalen Erasmus+ Projektes INDEED zum selbstbestimmten Leben von Menschen mit Behinderung erfuhren wir in Žilina dank unseres Partners Land of Harmony viel über die Möglichkeiten, Erfolge und geplanten Entwicklungen im Rahmen von selbstbestimmt Leben in der Slowakei. Der Hauptsitz der Organisation ist ein Gebäude mit zwei Wohnungen für selbstbestimmtes Leben. Wir saßen im schönen Garten des Hauses und lernten die Organisation, ihre Bewohner*innen, Mitarbeiter*innen und Freiwilligen kennen.
Später besuchten wir das Rathaus, wo wir vom Bürgermeister und dem stellvertretenden Bürgermeister empfangen wurden, die betonten, dass der Erfahrungsaustausch mit anderen Ländern im Bereich der Barrierefreiheit für sie sehr nützlich ist. Ein spezielles Team beschäftigt sich mit Barrierefreiheit, in welchem Architekt*innen, Sozial- und Verkehrsexpert*innen zusammenarbeiten. Aus architektonischer Sicht geht es darum, Geschichte und Zukunft miteinander zu verbinden, wobei die Barrierefreiheit eine der Hauptaufgaben darstellt. Es ist wichtig, dass barrierefreie Räume und öffentliche Gebäude nicht speziell für Menschen mit Behinderungen, sondern inklusiv, d. h. für alle gemeinsam, unter Einbeziehung der Öffentlichkeit und der Nutzer*innen gestaltet werden. In der Slowakei gibt es keine Architekt*innen speziell für Barrierefreiheit, sondern alle Architekten werden in universellem Design ausgebildet.
Es war überraschend und erfreulich zugleich zu hören, dass in einer Stadt mit nur 80.000 Einwohner*innen 36 kommunale, barrierefreie Wohnungen zur Miete zur Verfügung stehen. Diese sind derzeit alle bewohnt. Man bemüht sich auch um den öffentlichen Personennahverkehr. Als wir dort waren, hatten wir leider oft Probleme mit den Bürgersteigen und wegen der Treppen konnten wir mit den Rollstühlen in einige Gebäude nicht gelangen.
Bei einem Besuch in der Agentur für persönliche Assistenz haben wir erlebt, dass dort viel organisiert und gearbeitet wird, um Menschen mit Behinderungen zu unterstützen – und das mit nur zwei Mitarbeiterinnen. Persönliche Assistenz in der Slowakei ist auf dem richtigen Weg, aber das Ziel ist noch nicht ganz erreicht. Eine gesetzliche Regelung wurde 1998 durch eine Bürgerinitiative erreicht. Unter Berücksichtigung mehrerer Kriterien (z. B. Berufstätigkeit, Anzahl der Kinder, sozio-ökonomische Umstände, Verfügbarkeit eines Arbeitsplatzes) kann Unterstützung mittels persönlicher Assistenz beantragt werden. Diese kann bis zu 20 Stunden pro Tag und Assistent*in betragen. Die angebotene Unterstützung ist vielfältig: Körperpflege, Mobilität, Ernährung, Einkaufen, Hausarbeit, Bildungs-, Sport- und Kulturaktivitäten, Kommunikation, Pflege, Organisation von Freizeit und Urlaub, Beförderung der Kinder zur Schule und Bereitschaftsdienst. Es gibt auch eine Datenbank über Kund*innen und Assistent*innen sowie über die Bedürfnisse, Erwartungen und Verpflichtungen beider Seiten. Der Erfahrungsaustausch zwischen Assistent*innen findet auf Ausflügen und bei gemeinsamen Kochabenden statt.
Leider ist persönliche Assistenz auch in der Slowakei nicht als eigenständige berufliche Tätigkeit anerkannt. Es gibt zwar einen Vertrag zwischen der behinderten Person und dem*der Assistent*in, einen vom Staat gezahlter Mindestbeitrag zur Sozialversicherung und auch Steuererleichterungen, wenn Assistent*innen mehr als eine bestimmte Anzahl von Stunden arbeiten. Allerdings ist das Einkommen gering und die Menschen werden hauptsächlich aus persönlicher Motivation Assistent*innen, so dass sie den Job in der Regel als Zweit-/Teilzeitjob annehmen. Die Agentur für persönliche Assistenz organisiert Seminare, Kampagnen an Universitäten, und kooperiert mit dem Arbeitsamt, um diese Option als vorübergehende Lösung für Arbeitslose anzubieten.
Die Neue Synagoge, die als kultureller Begegnungsraum fungiert, fand großen Anklang beim internationalen Projektteam. Hier hörten wir einen Bericht über das inklusive Festival Jasidielna (Fröhliche Werkstatt). Dieses bunte, kulturelle und internationale Festival findet seit 25 Jahren jedes Jahr in Žilina statt. Bei diesem Festival treten auch Menschen mit Behinderungen als Künstler*innen auf oder arbeiten dabei ehrenamtlich mit. Es war faszinierend, den Enthusiasmus der Freiwilligen zu erleben. Diese engagierten sich im Alter von 15 bis 17 Jahren zum ersten Mal für das Festival und tun es heute, mit 50 Jahren, als Anwält*innen und NGO- Verantwortliche immer noch. Ein Festival wie dieses ist die beste Gelegenheit für junge Menschen in der Sekundarstufe, als Freiwillige direkte Erfahrungen mit Menschen mit Behinderungen zu sammeln.
Am Ende des zweitägigen Treffens kehrten wir in den Garten zurück, um unsere Erfahrungen gemeinsam mit den behinderten Ehrenamtlichen von Land of Harmony auszuwerten. Der Abschied aus der schönen Slowakei fiel uns schwer. Zum Glück treffen wir uns jeden Monat online! Die Arbeit geht also immer weiter und im Oktober werden wir uns wieder persönlich treffen, diesmal in Pécs, Ungarn bei unserem Partner People First Public Benefit Association.
Autorin: Veronika Pataki
Übersetzung: Matthias Piel